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Ausübung des umsatzsteuerlichen Zuordnungswahlrechts

BFH präzisiert Anforderungen an die Erkennbarkeit der Ausübung der Zuordnungsentscheidung

Unternehmer haben ein Wahlrecht, gemischt genutzte Gegenstände insgesamt oder anteilig dem Unternehmensvermögen zuzuordnen. Die tatsächliche Vornahme dieser Zuordnung ist eine Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. In Bezug auf den Zeitpunkt der Zuordnungsentscheidung vertreten die Finanzverwaltung und der BFH strenge Anforderungen, die der EuGH in einem Urteil vom 14.10.2021 im Grundsatz bestätigt hat. In zwei kürzlich veröffentlichten Folgeentscheidungen vom 4.5.2022 hat der BFH seine Rechtsprechung zur Erkennbarkeit der Zuordnungsentscheidung im Sinne der Steuerpflichtigen präzisiert.

Zuordnung von Eingangsleistungen zum Unternehmen

Der Abzug von Vorsteuer setzt nach § 15 Abs. 1 UStG zunächst einmal voraus, dass der Unternehmer Gegenstände für sein Unternehmen erworben bzw. sonstige Leistungen für sein Unternehmen bezogen hat. Wenn eine Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) ausschließlich bezogen wird, um für unternehmerische Tätigkeiten verwendet zu werden, besteht eine Verpflichtung, diese Leistung vollständig dem Unternehmen zuzuordnen (Zuordnungsgebot). Umgekehrt besteht ein Zuordnungsverbot für Leistungen, die ausschließlich für nichtunternehmerische Tätigkeiten bezogen werden.

Wird ein einheitlicher Gegenstand (z.B. Gebäude) sowohl unternehmerisch als auch privat genutzt, kann er grundsätzlich vollständig dem Unternehmen zugeordnet werden. Dies setzt allerdings voraus, dass der Umfang der unternehmerischen Verwendung mindestens 10% erreicht.

Gemäß § 15 Abs. 1b UStG ist für gemischt genutzte Grundstücke allerdings eine Sonderregelung zu beachten. Demnach ist der Vorsteuerabzug von vornherein nur zulässig, soweit der Gegenstand unternehmerisch verwendet wird (mehr dazu im nachfolgenden Beitrag über den Vorsteuerabzug bei Immobilien).

Dokumentation der Zuordnungsentscheidung

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH erfordert die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen „eine durch Beweisanzeichen gestützte Zuordnungsentscheidung des Unternehmers bei Anschaffung oder Herstellung des Gegenstands“. Als ein gewichtiges Indiz sieht der BFH in diesem Zusammenhang die tatsächliche Geltendmachung des Vorsteuerabzugs bzw. deren Unterlassung an. Weiterhin können lt. BFH auch die bilanzielle sowie die ertragsteuerliche Behandlung ein Indiz für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung sein. 

Hinweis: Im Regelfall sollte sich demnach die vom Unternehmer getroffene Zuordnungsentscheidung aus der Buchhaltung in Verbindung mit dem Inhalt der Umsatzsteuer-Voranmeldungen bzw. der Umsatzsteuer-Jahreserklärung ergeben.

Zeitpunkt der Zuordnungsentscheidung

Aus den Überlegungen, in welcher Weise die Zuordnung zu dokumentieren ist, ergibt sich bereits, dass die Zuordnung relativ zeitnah zur Anschaffung oder Herstellung des Gegenstands erfolgen muss. Denn einerseits erfordern die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung u.a. eine zeitnahe Erfassung von Geschäftsvorfällen und andererseits sind die meisten Unternehmer mindestens zu einer quartalsweisen Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen verpflichtet. 

Eine gesetzliche Vorgabe, bis wann die Zuordnungsentscheidung getroffen werden muss, gibt es zwar nicht. Allerdings geht der BFH davon aus, dass eine „zeitnahe“ Entscheidung erforderlich ist und dass das Kriterium „zeitnah“ nur dann erfüllt ist, wenn die Eentscheidung spätestens bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist von Steuererklärungen getroffen worden ist (vgl. bereits BFH-Urteil vom 7.7.2011, Az.: V R 42/09). Der BFH begründet dies u.a. mit dem „Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer“, so dass eine Zuordnungsentscheidung bereits bei der Anschaffung oder Herstellung des Gegenstands zu treffen sei. 

Streng genommen müsste die Dokumentation der Zuordnungsentscheidung lt. BFH sogar unverzüglich nach Ablauf des Kalenderjahres erfolgen, weil diese Entscheidung keine Steuererklärung i.S. von § 149 Abs. 1 AO darstelle. Lediglich aus Gründen der Praktikabilität hält er es für zulässig, insoweit auf die allgemeine Abgabefrist für Jahressteuererklärungen abzustellen (vgl. § 149 Abs. 2 Satz 1 AO). 

Hinweis: Ausdrücklich keine Berücksichtigung finden lt. BFH jedoch individuelle Fristverlängerungen sowie die in § 149 Abs. 3 AO geregelten Fristverlängerungen für Steuerberater. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ist die gesetzliche Abgabefrist für das Jahr 2020 vom 31.7.2021 auf den 31.10.2021 verlängert worden. Im Zuge des Vierten Corona-Steuerhilfegesetzes ist die gesetzliche Abgabefrist für das Jahr 2021 auf den 31.10.2022 verschoben worden.

EuGH-Vorgaben zur Verhältnismäßigkeitsprüfung

In zwei ähnlich gelagerten Sachverhalten hatte der BFH am 18.9.2020 jeweils ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gestellt. Dabei ging es jeweils um die Frage, ob die vorgenannte Rechtsprechung mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Während dem einen Verfahren (Az.: XI R 3/19) die Errichtung eines Einfamilienhauses zugrunde lag, welches ein betrieblich genutztes Arbeitszimmer enthalten sollte, ging es im anderen Verfahren (Az.: XI R 7/19) um den Erwerb einer Photovoltaikanlage, deren Strom teilweise selbst genutzt und teilweise in ein Stromnetz bei einem Energieversorger eingespeist worden ist.

Der EuGH gelangte im Urteil vom 14.10.2021 (Rs. C-45/20 und C-46/20) zu der Auffassung, dass die zugrundeliegenden Vorschriften im Unionsrecht (Art. 168a i.V. mit Art. 167 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie) der Auslegung der Vorschriften des UStG über den Vorsteuerabzug und der Zuordnungsentscheidung durch den BFH generell nicht entgegenstehen. Das gilt lt. EuGH allerdings unter dem Vorbehalt, dass die besonderen rechtlichen Modalitäten für die Ausübung der Befugnis zum Vorsteuerabzug mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sind. Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung solle, so der EuGH, das vorlegende Gericht vornehmen.

Im Hinblick auf diese Verhältnismäßigkeitsprüfung hebt der EuGH die herausragende Stellung des Rechts auf Vorsteuerabzug im gemeinsamen Mehrwertsteuersystem hervor und gibt zu bedenken, dass die nationalen Behörden grundsätzlich auch die Möglichkeit hätten, gegen nachlässig handelnde Steuerpflichtige Sanktionen (wie z.B. verwaltungsrechtliche Geldstrafen) zu verhängen, die den Neutralitätsgrundsatz weniger beeinträchtigen als die völlige Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug. 

Weiterhin hält der EuGH eine Frist, die (nach damaliger Rechtslage) am 31.5. des Folgejahres endet, für „nach dem ersten Anschein nicht mit der Wahrung des Grundsatzes der Rechtssicherheit unvereinbar“.

Folgeentscheidungen des BFH vom 4.5.2022 zur Ausübung des Zuordnungswahlrechts

Die Kernaussage der beiden BFH-Urteile vom 4.5.2022 (Az.: XI R 28/21 und XI R 29/21) besteht darin, dass für die Dokumentation der Zuordnung keine fristgebundene Mitteilung an die Finanzbehörde erforderlich ist. Sofern innerhalb der Dokumentationsfrist (gesetzliche Abgabefrist für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung) nach außen hin objektiv erkennbare Anhaltspunkte für eine Zuordnung vorliegen, müssen diese der Finanzbehörde nicht zusätzlich mitgeteilt werden. Vielmehr können diese der Finanzbehörde auch noch nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden.

Lt. BFH kommt es allein darauf an, dass die Ausübung des Zuordnungswahlrechts anhand objektiver Anhaltspunkte nach außen erkennbar ist. Die Zuordnung muss dabei nicht ausdrücklich erfolgen, dies kann auch konkludent geschehen.

Als objektive Anhaltspunkte für eine Zuordnung zum Unternehmen kommen lt. BFH in Betracht: 

  • Geltendmachung oder Nichtgeltendmachung des Vorsteuerabzugs
  • Auftreten des Unternehmers unter seinem Firmennamen bei An- oder Verkauf des Gegenstands
  • betriebliche oder private Versicherung des Gegenstands
  • bilanzielle bzw. ertragsteuerliche Behandlung des Gegenstands

Einen Nachweis durch Zeugenbeweis oder Parteivernehmung lehnt der BFH dagegen weiterhin ab.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Derzeit ist noch nicht ersichtlich, wie die Finanzverwaltung mit diesen Urteilen umgehen wird. Auch nach den beiden aktuellen BFH-Entscheidungen vom 4.5.2022 bleibt es dabei, dass die Zuordnungsentscheidung spätestens bis zum Ende der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung getroffen werden muss.

Es ist daher weiterhin dringend zu empfehlen, bei der Anschaffung oder Herstellung gemischt genutzter Gegenstände, die dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden sollen, eine zeitnahe und aussagekräftige Dokumentation dieser Zuordnungsentscheidung sicherzustellen. Idealerweise sollte der Vorsteuerabzug möglichst schon für den Voranmeldungszeitraum geltend gemacht werden, in dem die entsprechende Eingangsrechnung vorliegt. Dies sollte durch eine ebenso zeitnah erfolgende buchhalterische Erfassung der entsprechenden Geschäftsvorfälle flankiert werden.

Eine zusätzliche Mitteilung über die Zuordnungsentscheidung an das Finanzamt ist grundsätzlich nicht erforderlich. Sollte sich die Zusammenstellung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten als komplex oder zeitaufwendig erweisen (z.B. bei einem Bauvorhaben), kann es natürlich nicht schaden, das Finanzamt rein vorsorglich über die Zuordnungsentscheidung zu informieren, etwa durch ein formloses Schreiben.

Hinweis: Sofern ein Steuerberater lediglich mit der Erstellung der Umsatzsteuer-Jahreserklärungen beauftragt ist, sollte dieser ebenfalls zeitnah in derartige Sachverhalte eingebunden werden, damit vor Ablauf der gesetzlichen Frist erörtert werden kann, ob die Zuordnungsentscheidung tatsächlich rechtzeitig getroffen und aussagekräftig dokumentiert worden ist.

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