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BEPS erfordert Überprüfung von Inter-Company-Verträgen

Das von der OECD zwischen 2013 – 2015 durchgeführte Projekt gegen Steuervermeidung (Base Erosion and Profit Shifting, kurz „BEPS“) hat in den letzten Jahren für viel Unsicherheit in Bezug auf Verrechnungspreise gesorgt und ein ohnehin bereits kompliziertes Themengebiet noch schwieriger werden lassen. Nachdem sich der Staub gelegt hat und die Implementierung nun auch auf nationaler Ebene weitgehend abgeschlossen scheint, lohnt es sich, einen Blick auf die wesentlichen systematischen Änderungen zu werfen und sich über wichtige praktische Auswirkungen Gedanken zu machen.

Fokussierung auf die wirtschaftliche Substanz

Zunächst kann beruhigend festgehalten werden, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für Verrechnungspreise durch das BEPS-Projekt nicht grundsätzlich geändert wurden. Das Ergebnis von BEPS kann – etwas vereinfacht – als eine „Modernisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes“ zusammengefasst werden. Das charakteristische Merkmal dieser Modernisierung besteht darin, dass bei der Überprüfung der Fremdüblichkeit die Frage nach der wirtschaftlichen Substanz gem. BEPS noch stärker in den Fokus rückt. Am deutlichsten kann diese Fokussierung auf die wirtschaftliche Substanz wohl an dem massiv erweiterten Abschnitt zu „Risiken“ innerhalb der OECD-Richtlinien von 2017 (Abschn. D 1.2.1) nachvollzogen werden. In insgesamt 50 Paragraphen (dem größten Einzelabschnitt der gesamten Richtlinien) betont die OECD hier die Notwendigkeit, bei der Überprüfung von Verrechnungspreisen die relevanten Risiken eindeutig zu identifizieren und anschließend sowohl auf die vertragliche Zuordnung als auch insbesondere auf das tatsächliche Management wirtschaftlicher Risiken abzustellen.

Die vertragliche Zuordnung bildet hierbei lediglich einen ersten Analyseschritt. Da die Zuordnung von Risiken häufig mit dem Anspruch auf Teilhabe an unternehmerischen Gewinnen (bzw. einem Anteil am Residualgewinn) zusammenfällt, betont die OECD, dass nur einem Unternehmen, welches auch die tatsächliche wirtschaftliche Möglichkeit hat, Einfluss auf diese Risiken zu nehmen (‚risk management‘ und ‚risk mitigation‘), und das auch über die finanzielle Kapazität verfügt, diese Risiken zu tragen (‚financial capacity‘), ein solcher Anspruch steuerrechtlich zuerkannt werden könne.

Während bereits vor BEPS eine Funktions- und Risikoanalyse das Herzstück eines jeden Verrechnungspreissystems gebildet haben sollte, wird die Bedeutung dieser Analyse für die steuerliche Tragfähigkeit solcher Systeme nochmals erhöht. In Bezug auf die Kontrolle über Risiken stellt die OECD nun auch erstmalig klar, dass zwar die operative Ausführung des Risikomanagements durchaus outgesourct werden könne, dass aber die unternehmerischen Risiken stets bei dem auch die vertraglichen Risiken tragenden Unternehmen liegen müssen. Hierzu müssen die Mitarbeiter dieses Unternehmens über die entsprechend notwendigen Fähigkeiten bzw. (Entscheidungs-)Kompetenzen verfügen, welche auf Anfrage auch nachzuweisen sind.

Zwischenergebnis: Die steuerpolitische Zielsetzung der OECD, welche von allen Steuerbehörden unterstützt wird, ist eindeutig: Die Verschiebung von unternehmerischen Gewinnen zu „Briefkastenunternehmen“ durch die vertragliche Zuordnung von Risiken soll zukünftig unterbunden werden. Für Deutschland manifestieren sich die insoweit erhöhten Anforderungen an die Nachweispflichten zur wirtschaftlichen Substanz in der (2017 überarbeiteten) Gewinnabgrenzungsaufzeichnungs-Verordnung.

Beschreibung wirtschaftlicher Substanz in Inter-Company-Verträgen

Grundsätzlich sollte BEPS ungeachtet der vielen Diskussionen keinen Anlass für Sorge oder Aktionismus geben, denn es gilt prinzipiell, dass Verrechnungspreissysteme, die vor BEPS fremdüblich waren, auch im Rahmen von BEPS fremdüblich bleiben. Insbesondere für Steuerpflichtige, deren Verrechnungspreise eng mit den betriebswirtschaftlichen Abläufen verknüpft sind und bei welchen sich die Frage nach Substanz nicht stellt, besteht kaum Grund zur Besorgnis.

Leider führt BEPS dennoch zu einem erhöhten Dokumentationsbedarf sowie zusätzlichem Konfliktpotential im Rahmen von kommenden Betriebsprüfungen. Entsprechender Aufwand (zeitlich wie finanziell) und Risiken können aber durch eine proaktive Aufarbeitung bestehender Inter-Company-Verträge weitgehend minimiert werden. Überprüft werden sollte insbesondere, ob die vorhandenen Verträge die vertragliche Zuordnung von Funktionen und Risiken vollständig sowie nachvollziehbar reflektieren.

Beispiel: Im Falle von Auftragsfertigungs- oder Vertragshändler-Vereinbarungen wäre danach beispielsweise zu überprüfen, ob die wesentlichen strategischen Entscheidungen tatsächlich – und nachweislich – vom Auftraggeber (Prinzipal) getroffen werden. In diesem Zusammenhang sollte auch gleich überlegt werden, wie die dafür erforderliche Substanz auf Ebene des Prinzipals auf Anfrage substantiiert werden kann. Es sollte außerdem überprüft werden, ob die vertraglichen Vereinbarungen tatsächlich sachgerecht umgesetzt werden. Sollten Routineunternehmen (z.B. Auftragsfertiger) hoch volatile Nettoergebnisse oder sogar (Dauer-)Verluste aufweisen, könnte dies eine Indikation dafür sein, dass vertragliche Vereinbarung und wirtschaftliche Substanz nicht ausreichend im Einklang miteinander stehen und somit unter steuerlichen Gesichtspunkten Risiken bestehen. Punktuelle Vertragsanpassungen können hier häufig ausreichen, um derartige Risiken zu reduzieren.

Besonderer Dokumentationsbedarf bei immateriellen Wirtschaftsgütern

Ein besonderer Fokus von BEPS waren die Regelungen zu immateriellen Wirtschaftsgütern. Die obigen Anmerkungen zur höheren Bedeutung wirtschaftlicher Substanz gelten hier analog. In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass das rechtliche Eigentum allein künftig nicht mehr ausreichen wird, um einer Gesellschaft die aus der Kommerzialisierung der Rechte entstehenden (Residual-)Gewinne zuzuordnen. Im Rahmen von Prüfungen wird darzulegen sein, welches Unternehmen die wirtschaftlichen Funktionen (Risiken) in Bezug auf die Entwicklung, die Weiterentwicklung, den Schutz, den Erhalt und die Kommerzialisierung übernimmt und welche Bedeutung den jeweiligen Funktionen für das immaterielle Wirtschaftsgut zukommt. Die entsprechenden Zuordnungen sollten sich sachgerecht sowohl in Auftragsforschungsverträgen (strategische Zielsetzung, Kontrolle von Meilensteinen, ergebnisunabhängige Vergütung) als auch in Lizenzverträgen (Recht zur Unterlizensierung, Vorgaben und Beteiligungen an Marketingmaßnahmen etc.) widerspiegeln.

Empfehlung: Mit der Überprüfung von Inter-Company-Verträgen kann effizient sichergestellt werden, dass wirtschaftliche Substanz und die sich aus den Verträgen ergebende Gewinnaufteilung aufeinander abgestimmt sind. Eine konsistente vertragliche Grundlage trägt maßgeblich zur Minimierung steuerlicher Risiken im Bereich der Verrechnungspreise bei.

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