Zum Inhalt springen

Sie sind hier:

Konkurrentenklage gegen Verkauf von Hilfsmitteln

Zweckbetrieb im Rahmen der Blindenfürsorge oder typische Handelstätigkeit?

Klägerin im BFH-Urteil V R 12/20 vom 17.11.2022 war ausnahmsweise nicht die unmittelbar betroffene steuerbegünstigte Einrichtung, eine Selbsthilfeorganisation für blinde oder sehbehinderte Menschen (Blindenorganisation). Vielmehr klagte ein gewerbliches Unternehmen gegen die Steuerbescheide, da sie die Blindenorganisation als Konkurrentin und sich selbst als benachteiligt ansah. Die Klägerin wollte erzwingen, dass Umsätze der Blindeneinrichtung aus dem Verkauf von speziellen Produkten für Blinde rückwirkend für mehrere Streitjahre statt mit 7% mit 19% Umsatzsteuer besteuert werden.

Verfahrensablauf

Dagegen hatte sich die Blindenorganisation zunächst erfolgreich u.a. mit dem Argument gewehrt, sie erbringe vorwiegend unentgeltliche Beratungsleistungen und Hilfestellungen für blinde Menschen usw. Der Verkauf der speziellen Produkte sei lediglich untergeordneter Teil ihres Beratungsauftrags. Der BFH hob das klageabweisende Urteil des FG auf und verwies die Sache zur erneuten Beurteilung dorthin zurück. § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG sei rechtsfehlerhaft angewandt worden, weil kein Zweckbetrieb i.S. der AO (§§ 64 Abs 1, 65 - 68) vorliege.

Abgrenzung von Zweckbetrieben

Im Rahmen der Abgrenzung zwischen voll steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben und Zweckbetrieben wies der BFH darauf hin, zu Zweckbetrieben könnten nur entgeltliche Tätigkeiten (Dienstleistungen, Verkäufe) zählen. Allgemeine unentgeltliche Kursangebote und sonstige Hilfestellungen blieben außer Betracht.

Verkaufstätigkeiten als Zweckbetrieb

Der entgeltliche Teil der Tätigkeiten der Blindenorganisation bestand im Wesentlichen aus dem Verkauf (Rz. 23 der Entscheidung). Verkäufe, die lediglich mit einer üblichen produkt- und anwendungsbezogenen Beratung einhergingen, seien typische Handelstätigkeiten und nicht als Durchführung von Blindenfürsorge einzuordnen. Verkaufstätigkeiten könnten aber dann Zweckbetrieb sein, wenn über die übliche reine Produktberatung hinaus weitere fürsorgeorientierte Hilfestellungen gegeben würden oder wenn Verkaufstätigkeiten im Zusammenhang mit einem Kursangebot zur Förderung der gemeinnützigen Tätigkeit stehen. Ausgangspunkt seien dabei die Umstände des einzelnen Verkaufsgeschäfts (Rn. 31 und Leitsatz der Entscheidung).

Empfehlung: Selbsthilfeorganisationen, die Menschen mit Benachteiligungen nicht nur mit Rat und Tat helfen, sondern speziell auf ihre jeweilige Zielgruppe abgestimmte Produkte zum Kauf anbieten, sollten darauf achten und für Dritte nachvollziehbar dokumentieren, dass sie sich von anderen Verkäufern gleichartiger Produkte unterscheiden, weil der Schwerpunkt der „Verkaufsgespräche“ auf der fürsorgenden Beratung liegt, die ein normaler Händler i.d.R. nicht leisten wird.

Zurück zur Übersicht
Zurück zum Seitenanfang