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Neue Kennzahl EBITDAC in der Finanzberichterstattung: Aussagekraft zweifelhaft

Im Jahresverlauf 2020 waren die meisten Unternehmen insbesondere während der Lockdowns unmittelbar von der Corona-Pandemie betroffen. Um deren Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation zu erfassen, hat sich in den letzten Monaten häufiger mit dem EBITDAC die Verwendung einer alternativen Kennzahl verbreitet. Die nähere Analyse lässt aber Zweifel an der Aussagekraft aufkommen.

EBITDAC: Earnings before interest, taxes, depreciation, amortization and coronavirus

Die neue Kennzahl EBITDAC wird aus der Kennzahl EBITDA abgeleitet. Das EBITDA stellt den Gewinn vor Zinsen, Steuern sowie Abschreibungen auf Sachanlagen/immaterielle Vermögensgegenstände dar. Zur Ermittlung des EBITDAC werden zusätzlich noch Pandemieverluste bzw. Pandemiegewinne bereinigt.

Beispiel: Der deutsche Industriekonzern Schenck Process Group gab im Quartalsbericht zum 31.3.2020 erstmalig das „bereinigte EBITDAC“ an. Die vorgenommene Bereinigung belief sich auf insgesamt 5,4 Mio. €. Die Anpassungen betrafen insbesondere die Angabe der Bruttogewinne, die dem Konzern durch die Auswirkungen des Corona-Virus entgangen sind, und gegenläufig den Ansatz staatlicher Finanz- und Unterstützunghilfen von rund 0,2 Mio. €. Die entgangenen Bruttogewinne schätzte die Schenck auf rund 5,6 Mio. €, so dass sich insgesamt eine Bereinigung von 5,4 Mio. € ergab (5,6 – 0,2 = 5,4).

Zweifel an der Aussagekraft der Kennzahl EBITDAC

Grundsätzlich gilt, dass die i.d.R. sehr branchen- und unternehmensspezifisch ausfallenden Auswirkungen des Corona-Virus objektiv nur schwer quantifiziert werden können. Zwar kann die Verwendung einer um außerordentliche Effekte bereinigten Leistungskennzahl durchaus dienlich sein, um die Vergleichbarkeit der Ertragslage mit den Vorjahren herzustellen. Aufgrund der sehr eingeschränkten Nachvollziehbarkeit bzw. Prüfbarkeit wird die Verwendung des EBITDAC jedoch durchaus kritisch gesehen. In vielen Fällen wird nicht eindeutig beurteilbar sein, inwieweit die Corona-Pandemie tatsächlich Einfluss auf die Rechnungslegungsdaten hat. Beispielsweise werden Umsatzrückgänge, nicht ausgelastete Sachanlagen oder umfangreiche Restrukturierungs- und Sanierungsmaßnahmen häufig auch durch andere Einflüsse als die Corona-Pandemie bedingt sein.

Aber auch scheinbar „einfache“ Sachverhalte wie Forderungsausfälle müssen in vielen Fällen nicht ausschließlich auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sein. Darüber hinaus sind bei der Ermittlung des EBITDAC auch positive Effekte zu berücksichtigen, z.B. Einsparungen durch Kurzarbeitergeld, staatliche Beihilfen (Rettungsschirm etc.) sowie Umsatzanstiege in einzelnen Branchen (z.B. Online-Handel).

Pandemie-Effekte in Jahresabschluss und Lagebericht

Im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von Jahres- und Konzernabschlüssen ist zu vermuten, dass i.d.R. negative Effekte der Corona-Pandemie zu Bereinigungen im Rahmen der Ermittlung eines EBITDAC vorgenommen werden bzw. dass das EBITDAC als alternativer Leistungsindikator nur von Unternehmen berichtet wird, bei denen die negativen Auswirkungen überwiegen.

In der Lageberichterstattung ist grundsätzlich zu beachten, dass wesentliche finanzielle Leistungskennzahlen – wie auch das EBITDAC – durchgehend (stetig) dargestellt werden müssen. Dies betrifft somit sowohl die vergangenheitsorientierte als auch die zukunftsorientierte Berichterstattung (Wirtschaftsbericht bzw. Prognosebericht). Hierbei werden sich im Zweifel regelmäßig Schwierigkeiten bei der Ableitung des EBITDAC für den Prognosezeitraum ergeben.

Insoweit werden in vielen Fällen sowohl die quantitative als auch die qualitative Ermittlung von Effekten der Corona-Pandemie auf die Rechnungslegung in der Praxis größere Probleme bereiten und zu Diskussionen mit dem Abschlussprüfer führen. Soweit wesentliche, nach Art und/oder Größe außergewöhnliche Aufwendungen und Erträge das Ergebnis einer Berichtsperiode beeinflussen, sind grundsätzlich die Angabepflicht gem. § 285 Satz 1 Nr. 31 HGB im Anhang sowie die erforderliche Analyse der Ertragslage im Wirtschaftsbericht des Lageberichts zu beachten.

Fazit: Zusammenfassend ist festzustellen, dass die gesetzlichen Angabepflichten in Anhang und Lagebericht häufig ausreichen dürften, die Auswirkungen der Corona-Pandemie für den Abschlussadressaten klar und nachvollziehbar darzustellen. Ob es Sinn macht, die Klarheit und Übersichtlichkeit durch die zusätzliche Darstellung eines EBITDAC verbessern zu wollen, erscheint daher fraglich.

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