Zum Inhalt springen

Sie sind hier:

Neuerungen im Bereich der Verrechnungspreise – Teil I: Wichtiges im Überblick

Zusammen mit einem Referentenentwurf zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD) hat das Bundesfinanzministerium (BMF) wesentliche Neuerungen im Bereich der Verrechnungspreise vorgelegt. Nach einer Überarbeitung vom 24.3.2020, welche sich ausschließlich auf die ATAD-Umsetzung bezieht, soll der Referentenentwurf gemäß Beschluss des Koalitionsausschusses vom 8.4.2020 zügig umgesetzt werden. Die neuen Regelungen finden voraussichtlich Anwendung für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2020 beginnen. Im Folgenden wird ein Überblick über die geplanten Neuerungen im Bereich Verrechnungspreise vermittelt. Eine ausführliche Darstellung der Neuerungen zur Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes folgt im zweiten Teil in der nächsten Ausgabe.

Überarbeitung des § 1 AStG

§ 1 AStG, der grundsätzliche Vorgaben zur Verrechnungspreisermittlung enthält, wird neu gefasst und an
internationale Standards angepasst. Insbesondere sollen die Ergebnisse des BEPS-Projekts der OECD umgesetzt werden. Künftig sollen nur noch die tatsächlichen Verhältnisse einer Geschäftsbeziehung betrachtet werden; die vertraglichen Beziehungen bilden allenfalls noch den Ausgangspunkt einer Verrechnungspreisermittlung. Auch die Definition der „nahestehenden Person“ als Kriterium für die Verbundenheit zwischen Steuerpflichtigen wird erweitert. So sollen auch Fälle von Mehrfachstimmrechten, stimmrechtslosen Anteilen, Stimmrechtsbindungen oder vergleichbare Vorgänge von Bedeutung sein, um Steuergestaltungen vorzubeugen.

Verrechnungspreisdokumentationen

Grundsätzlich müssen große Unternehmensgruppen neben gesellschaftsbezogenen Dokumentationen (sog. Local Files) auch eine Stammdokumentation der Unternehmensgruppe (sog. Master File) über die Angemessenheit der Verrechnungspreise erstellen. Bisher fand dies Anwendung für Unternehmensgruppen, die im Vorjahr einen Jahresumsatz von mindestens 100 Mio. € erzielt hatten. Dieser Schwellenwert soll auf 50 Mio. € herabgesetzt werden.

Zudem wird eine Verpflichtung zur zeitnahen Dokumentationserstellung eingeführt. Der Master File soll zukünftig auf elektronischem Wege direkt an das örtlich zuständige Finanzamt übermittelt werden. Die Übermittlung hat jährlich bis zum Ablauf des entsprechenden Wirtschaftsjahres zu erfolgen. Bei einer Anwendung für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2020 beginnen, würde dies z.B. für das Wirtschaftsjahr 2021 bedeuten, dass der Master File bis spätestens 31.12.2021 an das Finanzamt zu übermitteln ist. Damit liegt eine Abkehr von der bisherigen Praxis vor, wonach Verrechnungspreisdokumentationen regelmäßig erst im Rahmen von Betriebsprüfungsanfragen vorgelegt werden mussten.

Hinweis: Infolge der deutlichen Absenkung des Schwellenwerts (50 Mio. € Umsatz im Vorjahr) sollte geprüft werden, ob ab dem Jahr 2021 ein Master File zu erstellen und jährlich an das Finanzamt zu übermitteln ist.

Vorabverständigungsverfahren für Verrechnungspreise

Mit der Einführung einer neuen Regelung in der Abgabenordnung (§ 89a AO-E) soll eine eigenständige nationale Norm zur Vorabverständigung über die Angemessenheit von Verrechnungspreisen („Advance Pricing Agreement – „APA“) für genau definierte Geschäftsvorfälle geschaffen werden. Danach sind neben bilateralen auch multilaterale Fälle möglich. Bislang erfolgten Vereinbarungen auf der Basis von jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen sowie eines BMF-Merkblatts aus dem Jahr 2006.

Das APA ist beim Bundeszentralamt für Steuern zu beantragen. Voraussetzung für einen Antrag ist, dass der genau zu bestimmende Sachverhalt im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verwirklicht ist und das Risiko einer Doppelbesteuerung vermieden werden kann. Anträge, die sich erkennbar auf eine Steuervermeidungsstrategie beziehen, sollen abgelehnt werden.

Eine Verständigungsvereinbarung soll regelmäßig einen Gültigkeitszeitraum von fünf Jahren nicht überschreiten und mit dem Verzicht des Antragstellers verknüpft werden, Rechtsbehelfe gegen Steuerbescheide einzulegen, soweit sie das Vereinbarte betreffen.

Die Gebühr für den Antrag auf Vorabverständigung beträgt 30.000 €; sie halbiert sich bei Verlängerung eines bereits beschiedenen Antrags.

Ausblick: In Teil II wird die Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes in den Blick genommen. Dabei geht es u.a. um die Methodenwahl sowie um die gesetzliche Definition des „immateriellen Werts“.

Zurück zur Übersicht
Zurück zum Seitenanfang