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Online-Handel: Umsatzsteuer wird umgebaut!

Online-Händler und Online-Marktplätze müssen sich – frühestens ab 1.7.2021 – auf zahlreiche umsatzsteuerliche Änderungen einstellen. Diese sind im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2020 enthalten, den der Bundestag am 25.9.2020 beschlossen hat (BT-Drucks. 22850). Damit werden die von den EU-Mitgliedstaaten in 2017 getroffenen Vereinbarungen zum „VAT E-Commerce Package“ sowie aktuelle Rechtsprechung des BFH und des EuGH in das UStG übernommen.

Fernverkauf statt Versandhandel

Die bisherige umsatzsteuerliche Bezeichnung „Versandhändler“ für den Online-Händler wird durch den Begriff „Fernverkäufer“ ersetzt. Wird ein Gegenstand grenzüberschreitend innerhalb der EU oder aus einem Drittland jeweils an Privatpersonen geliefert und veranlasst der Fernverkäufer den Transport, so liegt ein Fernverkauf vor. Der Transport ist dann vom Fernverkäufer veranlasst,

  • wenn er selbst den Transport übernimmt, die Transportkosten vom Kunden einzieht und an den Spediteur weiterleitet oder
  • wenn er dem Spediteur den Transport ermöglicht.

Der Begriff der Transportveranlassung ist weiter als bisher auszulegen. Der im deutschen UStG enthaltene Begriff des Versandhandels soll nicht mehr verwendet werden.

Innergemeinschaftlicher Fernverkauf

Innergemeinschaftliche Fernverkäufe gelten als im Bestimmungsland erbracht und begründen dort die Umsatzsteuerpflicht, sobald sie für den EU-Fernverkäufer die Schwelle von 10.000 € im Jahr überschreiten. Bisherige länderspezifische Lieferschwellen (zwischen 35.000 € und 100.000 €) entfallen.

Bei Lieferungen in verschiedene EU-Länder kann für den Fernverkäufer bei Überschreiten der Schwelle schon ab dem ersten Umsatz eine umsatzsteuerliche Registrierungspflicht in allen Zielländern bestehen.

Hinweis: Der Kreis der betroffenen Versandhändler wird durch die quasi-Abschaffung der Lieferschwelle erweitert. Zukünftig wird viel häufiger mit ausländischer Umsatzsteuer zu fakturieren sein und es werden sich mehr Versandhändler ggf. in EU-Mitgliedstaaten steuerlich registrieren.

Fernverkauf aus dem Drittland

Fernverkäufe von Gegenständen aus dem Drittland sind stets ohne Geringfügigkeitsschwelle und dann im Bestimmungsland zu versteuern (USt), wenn der Gegenstand zuvor in ein anderes EU-Land als das Bestimmungsland eingeführt wurde oder wenn die Steuer über das OSS (s. nachfolgender Abschnitt) erklärt wird.

Meldung über One-Stop-Shop (OSS)

Der Fernverkäufer kann die umsatzsteuerliche Registrierung im EU-Ausland durch Teilnahme am sog. One-Stop-Shop (OSS) vermeiden. Ergänzend zu dem aus 2015 stammenden MOSS-Verfahren kann ein Unternehmer im EU-Ausland geschuldete Umsatzsteuer für Fernverkäufe nun zentral abführen. Dies betrifft zum einen innergemeinschaftliche Fernverkäufe und zum anderen Fernverkäufe auch aus dem Drittland mit einem Sachwert von höchstens 150 €.

Hinweis: Die Teilnahme am OSS ist für den Fernverkäufer nur einheitlich für alle Umsätze aus innergemeinschaftlichen Fernverkäufen oder Fernverkäufen aus dem Drittland möglich.

Nicht über das OSS erklärt wird insbesondere innergemeinschaftliches Verbringen von Waren zwischen verschiedenen Warenlagern in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten. Ebenso wenig können Lieferungen aus Warenlagern innerhalb des Bestimmungslands über OSS erklärt werden. Vorsteuern aus anderen EU-Mitgliedstaaten sind unverändert über das Vorsteuervergütungsverfahren geltend zu machen.

Hinweis: Zu befürchten ist nach aktuellem Stand eine belastende Kombination von OSS-Meldung und lokaler Umsatzsteuererklärung.

Abwicklung über Marktplätze (z.B. Amazon)

Bestimmungslandprinzip

Bei Fernverkäufen über elektronische Schnittstellen (z.B. Marktplätze) liegt die Besteuerung im Bestimmungsland, und zwar auch, wenn die Steuer nicht nach dem besonderen Besteuerungsverfahren zu erklären ist und Einfuhr-USt zu entrichten ist.

Lieferungen über Online-Marktplätze (Fiktion eines Reihengeschäfts)

Bei Versendung von Gegenständen eines Drittland-Unternehmers aus einem Lager in der EU oder bei Fernverkäufen aus dem Drittland mit einem Sachwert bis höchstens 150 € wird zwischen einem Online-Händler, einem Online-Marktplatz (z.B. Amazon) und dem Endkunden künftig ein Reihengeschäft fingiert. Die Folge ist, dass die Lieferung des Online-Marktplatzes an den Endkunden die bewegte Lieferung innerhalb des fiktiven Reihengeschäfts ist. Im Fall der Lieferung innerhalb der EU kann der Online-Marktplatz den Umsatz über OSS erklären. Im Fall von Drittlandslieferungen kann der Online-Marktplatz die Waren des Onlinehändlers steuerfrei einführen und den Ausgangsumsatz über OSS melden.

Die vorangehende, ruhende Lieferung des Online-Händlers mit einem Lager in der EU an den Online-Marktplatz ist steuerbefreit. Auch die Lieferung aus dem Drittland an den Online-Marktplatz führt in den meisten Konstellationen zu keinem im Inland steuerbaren Umsatz.

Der Online-Marktplatz wird im Fall des fiktiven Reihengeschäfts zum Lieferanten an den Endkunden. Umfangreiche elektronische Anpassungen werden nötig sein, um z.B. den korrekten Steuersatz zu bestimmen oder den Warenweg zu verfolgen.

Haftung bei Lieferungen über Online-Marktplätze

In Fällen, in denen das fiktive Reihengeschäft keine Anwendung findet, haftet der Online-Marktplatz weiter für die Umsatzsteuer des Versandhändlers. Die ihn bisher aus der Haftung entlastende „Erfassungsbescheinigung“ nach § 22f UStG wird von einer gültigen USt-ID-Nr des Fernverkäufers abgelöst. Letztere wird Bestandteil der im Übrigen erweiterten Aufzeichnungspflichten des § 22f UStG.

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