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Reform des Gemeinnützigkeitsrechts

Jahressteuergesetz 2020 mit vielfältigen Neuerungen in Kraft

Nachdem der Bundestag am 16.12.2020 und der Bundesrat am 17.12.2020 das Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) beschlossen hatten, ist es in weiten Teilen bereits noch in 2020 bzw. zum 1.1.2021 in Kraft getreten. Das Bundesfinanzministerium hat dazu verlautbart, dass die im JStG 2020 enthaltene Reform des Gemeinnützigkeitsrechts zur Stärkung von gemeinnützigen Körperschaften und ehrenamtlich Tätigen beitragen soll. Nachfolgend werden die besonders wichtigen Änderungen vorgestellt.

Änderungen in der Abgabenordnung 

Die in Art. 27 des JStG 2020 enthaltenen Regelungen zur Änderung der Abgabenordnung (AO) sind bereits vor dem Jahreswechsel einen Tag nach Verkündung im BGBl vom 28.12.2020 in Kraft getreten. Sie betreffen insbesondere zehn nachfolgend erläuterte Regelungsbereiche, die von Ergänzungen des Zweckkatalogs bis hin zur Einrichtung eines neuen Registers für Zuwendungsempfänger reichen.

Ergänzung bzw. Konkretisierung der gemeinnützigen Zwecke 

§ 52 Abs. 1 Satz 1 AO enthält den gesetzlichen Katalog gemeinnütziger Zwecke. Dieser wird durch das JStG 2020 wie folgt ergänzt bzw. konkretisiert: 

  • Zu Nr. 8: Es wurde klargestellt, dass die Förderung des Umweltschutzes auch den Klimaschutz umfasst. 
  • Zu Nr. 10: Während hier bisher Hilfen für „rassisch“ Verfolgte Fördergegenstand waren, spricht das Gesetz jetzt von der Förderung von Hilfen für die „rassistisch“ Verfolgten. Daneben wurde die Förderung der Hilfen für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden, explizit in den Katalog der gemeinnützigen Zwecke aufgenommen. 
  • Zu Nr. 22: Die Förderung der Heimatkunde und Heimatpflege wurde um die Förderung der Ortsverschönerung ergänzt. 
  • Zu Nr. 23: Ergänzend zum Amateurfunken ist nun auch die Förderung des Freifunks vorgesehen. 
  • Neue Nr. 26: Der Katalog ist um die Förderung der Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen und die Förderung der Unterhaltung von Gedenkstätten für nicht-bestattungspflichtige Kinder und Föten ergänzt worden. 

Aufhebung der Mittelverwendungspflicht für kleine Körperschaften 

Die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung gem. § 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 AO gilt zukünftig nicht mehr für Körperschaften mit jährlichen Einnahmen bis zu 45.000 €. Dies dürfte Diskussionen mit den Finanzbehörden über vorübergehende Mittelansammlungen erleichtern. Insgesamt sollten aber auch kleinere Körperschaften in diesem Sinne weiterhin auf die Mittelverwendung achten. 

Unmittelbarkeit der Zweckerfüllung beim Zusammenwirken gemeinnütziger Körperschaften 

Einen wesentlichen Kern der Reform stellen die Neuregelungen zur Unmittelbarkeit der Zweckerfüllung in § 57 AO dar. Dieser wurde nunmehr um zwei weitere Absätze ergänzt, mit denen der Gesetzgeber den Entwicklungen im gemeinnützigen Sektor hin zu stärkeren arbeitsteiligen Strukturen in Form von Kooperationen und Holdingkonstruktionen Rechnung trägt. Nach dem neu in § 57 AO eingefügten Abs. 3 erfüllt eine Körperschaft ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann unmittelbar, wenn sie satzungsgemäß mit mindestens einer anderen gemeinnützigen Körperschaft einen gemeinnützigen Zweck verwirklicht.

Nach dieser Regelung kann z.B. auch eine ausgegliederte Servicegesellschaft (etwa die Wäscherei eines Krankenhauses) mit solchen Serviceleistungen unmittelbar gemeinnützige Zwecke erfüllen. Voraussetzung hierfür ist nunmehr, dass die Servicegesellschaft neben der Erfüllung der üblichen Anforderungen der Mustersatzung den gemeinnützigen Zweck durch planmäßiges Zusammenwirken mit anderen gemeinnützigen Körperschaften in ihre Satzung aufnimmt. 

Empfehlung: Diese Neuregelung kann vor allem im Falle von Holdingstrukturen Erleichterungen bei Abgrenzungsfragen rund um den steuerbefreiten Zweckbetrieb, die damit im Zusammenhang stehende Mittelverwendung sowie z.B. hinsichtlich der Angemessenheit von Verrechnungspreisen nach sich ziehen. Gemeinnützige Körperschaften sollten daher prüfen, ob ggf. Satzungsänderungen geboten sind, um diese Erleichterungen zu nutzen. 

Die gemeinnützige Holding 

Ein weiterer Meilenstein in der Fortentwicklung des Gemeinnützigkeitsrechts ist die Ergänzung des § 57 AO um den neuen Absatz 4. Er lautet: „Eine Körperschaft verfolgt ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann unmittelbar …, wenn sie ausschließlich Anteile an steuer-begünstigten Körperschaften hält und verwaltet.“ Diese Neuregelung ist sehr zu begrüßen, da sie wesentliche Erleichterungen und Klarstellungen für die Gemeinnützigkeit der Obergesellschaft in einem gemeinnützigen Konzern beinhaltet. 

Hinweis: Aber auch hier werden in der Praxis noch Zweifelsfragen zu klären sein: Ist z.B. der Abs. 4 anwendbar, wenn in einem gewissen Umfang auch Anteile an gewerblichen Kapitalgesellschaften gehalten werden? 

Neuregelung der Mittelweitergaben 

Während bisher die (vollständige) Beschaffung und Mittelweitergabe einer gemeinnützigen Körperschaft an eine andere gemeinnützige Körperschaft einerseits und die teilweise Mittelweitergabe in § 58 Nr. 1 bzw. Nr. 2 AO andererseits unterschiedlich geregelt waren, sind nun beide Sachverhalte einheitlich in der neuen Nr. 1 des § 58 AO wie folgt normiert: „Die Steuervergünstigung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Körperschaft einer anderen Körperschaft … Mittel für die Verwirklichung gemeinnütziger Zwecke zuwendet. … Beabsichtigt die Körperschaft als einzige Art der Zweckverwirklichung, Mittel anderen Körperschaften … zuzuwenden, ist die Mittelweitergabe als Art der Zweckverwirklichung in der Satzung zu benennen.“ Die bisherige Nr. 2 des § 58 AO entfällt ersatzlos. 

Damit ist eine Mittelweitergabe – egal ob vollständig oder teilweise – unabhängig von der Zweckidentität von leistender und empfangender Körperschaft stets zulässig. Daneben ist wie bisher eine Satzungsklausel nur bei reinen Förderkörperschaften erforderlich. 

Hinweis: Somit ist die Fördertätigkeit als „einzige Art der Zweckverwirklichung“ als eigenständiger gemeinnütziger Zweck nunmehr explizit im Gesetzestext verankert worden. 

Vertrauensschutz bei Mittelweitergaben 

Im Zusammenhang mit der Neuregelung der Mittelweitergaben ist mit dem neuen § 58a AO eine Vertrauensschutzregelung für Körperschaften, die ihre Mittel an eine andere gemeinnützige Körperschaft weitergeben, gesetzlich geregelt worden. Nach § 58a AO darf die weitergebende Körperschaft grundsätzlich darauf vertrauen, dass die empfangende Körperschaft gemeinnützig ist und die Mittel für steuerbegünstigte Zwecke verwendet, wenn sie von der empfangenden Körperschaft zum Zeitpunkt der Zuwendung

  • entweder einen Freistellungsbescheid oder eine entsprechende Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid erhält, dessen bzw. deren Datum nicht länger als 5 Jahre zurückliegt, 
  • oder ein Feststellungsbescheid nach § 60a AO vorliegt, dessen Datum nicht länger als 3 Jahre zurückliegt; dies gilt allerdings nur bei neu gegründeten Empfängerkörperschaften, denen die erstgenannten Bescheide bisher noch nicht erteilt worden sind. 

Hinweis: Der Vertrauensschutz gilt nicht, wenn die zuwendende Körperschaft die Unrichtigkeit der vorgenannten Bescheide kennt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt oder selbst veranlasst, dass die Mittel für nicht steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden. 

Feststellung nach § 60a AO 

Die Erteilung eines Bescheids über die Feststellung gem. § 60a AO, dass die Körperschaft die satzungsmäßigen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit erfüllt, erfolgte bisher allein aufgrund einer formellen Satzungsprüfung durch das Finanzamt. Im Rahmen des JStG 2020 ist der § 60a AO nunmehr um einen neuen Abs. 6 ergänzt worden: Hiernach kann die Feststellung abgelehnt werden, wenn zum Zeitpunkt des Erlasses Erkenntnisse vorliegen, dass die tatsächliche Geschäftsführung gegen die satzungsmäßigen Voraussetzungen verstößt. 

Hinweis: Diese Ergänzung soll offensichtlich Missbräuche verhindern; die Anwendung in der Praxis bleibt abzuwarten. 

Anhebung der Bagatellgrenze für steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe 

Gem. § 64 Abs. 3 AO in der bisher geltenden Fassung unterliegen die Ergebnisse von steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben nicht der Körperschaft- und Gewerbesteuer, wenn die Einnahmen einschließlich Umsatzsteuer 35.000 € im Jahr nicht übersteigen. Diese Grenze wurde mit dem JStG 2020 auf 45.000 € angehoben. 

Ergänzung des Katalogs der Zweckbetriebe 

Der Katalog der Zweckbetriebe nach § 68 AO ist dahingehend ergänzt worden, dass als neuer Buchst. c die Versorgung, Verpflegung und Betreuung von Flüchtlingen in § 68 Nr. 1 AO aufgenommen wurde. Bisher konnte die Flüchtlingshilfe ein Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege gem. § 66 AO sein, so dass u.a. nachzuweisen war, dass es sich beiden betreuten Menschen um hilfsbedürftige Personen i.S. des § 53 AO handelt. Dies dürfte nun entfallen. 

Hinweis: Allerdings verweist die neue Regelung auf § 66 Abs. 2 AO, der festlegt, dass die Hilfe nicht des Erwerbs wegen ausgeübt werden darf. Insofern ändert sich durch die Neuregelung praktisch nichts daran, dass ggf. erwirtschaftete Überschüsse in einem solchen Zweckbetrieb kritisch zu betrachten sind. 

Einführung eines Registers der Zuwendungsempfänger ab 2024 

Neben den vorgenannten, in Art. 27 des JStG enthaltenen Änderungen der AO, die noch Ende 2020 wirksam geworden sind, enthält das JStG 2020 in Art. 28 die Einführung eines Zuwendungsempfängerregisters ab 1.1.2024. Nach dem dazu neu eingefügten § 60b AO soll zukünftig beim Bundeszentralamt für Steuern ein zentrales Register der gemeinnützigen Körperschaften geführt werden. Hierin soll u.a. auch das Datum des letzten Freistellungsbescheids bzw. des Feststellungsbescheids nach § 60a AO enthalten sein. 

Änderungen im EStG und KStG 

Ergänzend zu den vorgenannten Änderungen ist zu beachten, dass ab dem 1.1.2021 folgende Freibeträge bzw. Bagatellgrenzen gelten: 

  • Die sog. Übungsleiterpauschale ist von 2.400 € auf 3.000 € p.a. angehoben worden. 
  • Für die sog. Ehrenamtspauschale gilt nun der Grenzwert von 840 € p.a. (statt bisher 720 €). 
  • Die bisherige Grenze von 200 € für den vereinfachten Spendennachweis ist um 100 € erhöht worden, sodass die Vereinfachung nun bei Zuwendungen angewendet werden kann, die 300 € nicht übersteigen.

Empfehlung: Eine nähere Befassung mit den Neuregelungen der Abgabenordnung lohnt sich. Neue Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich insbesondere für Holdingstrukturen. Auch für bereits bestehende Ober- und Servicegesellschaften sind neue Optionen verfügbar.

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