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Steuerliche Behandlung umwandlungsbedingter Mehrabführungen im Organschaftsfall

Nach Auffassung der Finanzverwaltung führt die Verschmelzung zu handelsrechtlichen Verkehrswerten in einer bestehenden Organschaftsstruktur zu einer vororganschaftlichen Mehrabführung, die wiederum als Dividende teilweise steuerpflichtig ist. Dagegen vertritt das Schrifttum eine andere Auffassung. In einem aktuellen Urteil hat der BFH nun zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden.

Steuerbelastung in Organschaftsfällen

Im Rahmen von Unternehmenskäufen/-erwerben besteht in der Folgezeit oftmals der Wunsch, die erworbene Gesellschaft auf eine übergeordnete Gesellschaft zu verschmelzen. In Höhe der Differenz zwischen den Anschaffungskosten für die Beteiligung (beispielsweise 10 Mio. €) und dem Eigenkapital der erworbenen Gesellschaft (beispielsweise 1 Mio. €) entsteht durch die Verschmelzung ein sog. Verschmelzungsverlust. Dieser Verschmelzungsverlust führt zu nicht gewollten Eigenkapitalsituationen, da Anschaffungskosten final vernichtet werden. Daher besteht oftmals der Wunsch, durch Aufdeckung der stillen Reserven handelsrechtlich diesen Verschmelzungsverlust zu vermeiden. Steuerlich dagegen erfolgt die Verschmelzung neutral und unter Fortführung der Buchwerte. 

In der Praxis kommt es regelmäßig vor, dass es sich bei dem erwerbenden Konzern um eine organschaftliche Struktur handelt, sodass regelmäßig auf den Organträger verschmolzen wird. Der aufgrund der unterschiedlichen Wertansätze in Handels- und Steuerbilanz entstehende steuerliche bzw. handelsrechtliche Mehrgewinn führt zu einer sog. Mehrabführung. Nach Auffassung der Finanzverwaltung  (BMF-Schreiben vom 11.11.2001, Umwandlungssteuererlass, BStBl. I 2011, S. 1314, unter Tz. Org. 33) handelt es sich dabei um einen vororganschaftlichen Vorgang. Dies hat zur Folge, dass diese Mehrabführung steuerlich wie eine Dividende behandelt wird. Bei einer Mehrabführung (im Beispiel 9 Mio. €)  entsteht somit eine Steuerbelastung i.H. von rd. 150.000 €.

Neue BFH-Rechtsprechung

Der BFH hatte nun die Frage zu entscheiden, ob eine solche Mehrabführung gemäß der Auffassung der Finanzverwaltung vororganschaftlich entstanden ist oder ob es sich entsprechend der überwiegenden Meinung des Schrifttums um eine innerhalb der Organschaft begründete Mehrabführung handelt. Der BFH hat hier zugunsten des Steuerpflichtigen in seinem Urteil vom 21.2.2022 (Az.: I R 51/19) entschieden, dass bei Hineinverschmelzen in eine bestehende Organschaftsstruktur die hieraus resultierenden Wertdifferenzen aufgrund unterschiedlicher Wertansätze einen organschaftlichen Hintergrund haben und steuerneutral erfolgen. Der BFH begründet seine Meinung damit, dass für die Beurteilung, ob eine vororganschaftliche oder eine organschaftliche Mehrabführung vorliegt, auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem das Ereignis eintritt, auf dem der Unterschied zwischen der handelsrechtlichen Gewinnabführung und der Vermögensmehrung in der Steuerbilanz beruht. Der die Differenz zwischen Handels- und Steuerbilanz auslösende Geschäftsvorfall sei erstmalig in einem Zeitraum zu bilanzieren, für den der Ergebnisabführungsvertrag gegolten hat. Somit behandelt der BFH die Mehrabführung als organschaftlich verursacht.

Auswirkungen auf die Praxis

Um die negativen Folgen zu vermeiden, wurden in der Praxis oft Ausweichgestaltungen gewählt, die kostenintensiv und mit einem erhöhten Mehraufwand verbunden waren. Hierauf kann in der Zukunft eventuell verzichtet werden. Anzumerken ist, dass die für die Steuerpflichtigen positive Rechtsprechung des BFH seitens der Finanzverwaltung noch nicht veröffentlicht worden ist und insoweit für die Anwendung ein Restrisiko besteht.

Empfehlung: Für bereits verwirklichte Sachverhalte sollte man sich auf die aktuell ergangene BFH-Rechtsprechung berufen. Bei Sachverhalten, bei denen noch Gestaltungspotential besteht, sollte mit einer Verschmelzung ggf. noch zugewartet werden.

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