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Steuerlicher Querverbund auf dem doppelten Prüfstand

Finanzverwaltung öffnet Einbeziehungsmöglichkeiten beim Breitbandausbau / BFH lässt Vereinbarkeit mit Beihilfevorschriften prüfen

Kommunen und kommunale Unternehmen (wie z.B. Stadtwerke und AöR) engagieren sich im Breitbandausbau, um eine flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet sicherstellen zu können. Aufgrund hoher Investitionen ist der Breitbandausbau i.d.R. in der Anlaufphase mit Verlusten verbunden. Erfahrungsgemäß hat die Finanzverwaltung bisher in Betriebsprüfungen eine grundsätzliche Ergebnisverrechnung im steuerlichen Querverbund abgelehnt und Verluste aus der Breitbandtätigkeit als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) behandelt. Das BMF hat aber nunmehr mit Schreiben vom 9.9.2019 (Az.: IV C 2 - S 2706/16/10002) gegenüber den kommunalen Spitzenverbänden und dem VKU dazu Stellung genommen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Breitbandtätigkeit in den steuerlichen Querverbund einbezogen werden kann. Allerdings ist (unabhängig vom Breitbandausbau) auch zu beachten, dass der BFH dem EuGH die Rechtsfrage der beihilferechtlichen Zulässigkeit des steuerlichen Querverbunds (bei Eigengesellschaften) vorgelegt hat.

Breitbandtätigkeit im Querverbund

Die Einbeziehung der Breitbandtätigkeit in den steuerlichen Querverbund ist nach dem genannten BMF-Schreiben in bestimmten Fällen möglich. Entscheidend sind hierbei die Anwendung von § 4 Abs. 6 KStG und die Abgrenzung eines sog. Breitband-BgA.

Anwendung des § 4 Abs. 6 KStG

Juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) begründen mit der Überlassung der gesamten passiven Infrastruktur (Leerrohre mit Glasfaserkabel sowie weiterer erforderlicher technischer Komponenten) an Netzbetreiber einen Verpachtungs-BgA i.S. des § 4 Abs. 4 KStG. Wird das Breitbandnetz von der jPöR allerdings selbst betrieben, liegt ein „aktiver“ BgA i.S. des § 4 Abs. 1 KStG vor.

Der „Breitband-BgA“ ist ein Versorgungs-BgA im Bereich der Telekommunikation, allerdings kein Versorgungs-BgA i.S. des § 4 Abs. 3 KStG (vgl. Rn. 13 des BMF-Schreibens vom 12.11.2009, BStBl. I 2009 S. 1303). Versorgungs-BgA i.S. des § 4 Abs. 3 KStG sind untereinander gleichartig (vgl. Rn. 4 letzter Satz des BMF-Schreibens vom 12.11.2009). Gleichartigkeit liegt auch vor zwischen den Versorgungs-BgA i.S. des § 4 Abs. 3 KStG und den BgA aus dem Bereich der Telekommunikation. Diese können daher nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG zusammengefasst werden.

Hinweis: Die Grundsätze sind entsprechend anzuwenden, wenn nicht die jPöR, sondern eine Eigengesellschaft im Bereich Breitband tätig ist. Überlässt die Eigengesellschaft nur Leerrohre an einen Betreiber des Breitbandnetzes, ist dies als eigenständige Sparte zu betrachten. Auf diese Sparte sind die für Telekommunikations-BgA geltenden Grundsätze entsprechend anzuwenden. Damit liegt eine Versorgungssparte vor.

Einkommensermittlung des Breitband-BgA

Ein „Breitband-BgA“ ist kein BgA, auf den § 8 Abs. 7 KStG anzuwenden ist. Seine Tätigkeiten können also nicht unter § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG subsumiert werden.

Hinsichtlich möglicher Verluste eines „Breitband-BgA“ ist zu berücksichtigen, dass er regelmäßig für seine Investitionsvorhaben staatliche Zuwendungen erhalten wird (z.B. nach der Richtlinie „Förderung zur Unterstützung des Breitbandausbaus in der Bundesrepublik Deutschland“). Derartige Zuwendungen sehen u.a. vor, dass die Netzinfrastruktur an Dritte veräußert werden soll. Hierin ist ein einheitliches Gesamtkonzept aus laufender Verpachtung (im Fall des Verpachtungs-BgA i.S. des § 4 Abs. 4 KStG) bzw. aus laufendem Betrieb (im Fall des „aktiven“ BgA i.S. des § 4 Abs. 1 KStG) und anschließender Veräußerung zu sehen. Aus Sicht des Zuwendungsgebers wird mit dem Investitionsvorhaben eine schwarze Null angestrebt. Aus einem derartigen Gesamtkonzept resultiert aus dem laufenden Betrieb des Breitband-BgA keine vGA.

Hinweis: Das Vorstehende gilt entsprechend, wenn das Investitionsvorhaben durch eine Eigengesellschaft durchgeführt wird.

Handlungsempfehlungen für Akteure im Beitbandausbau

Die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 9.9.2019 sind in allen offenen Fällen anzuwenden. JPöR und insbesondere Stadtwerke sollten für offene Veranlagungszeiträume die bisherige steuerliche Behandlung der Breitband- bzw. Telekommunikationstätigkeiten dahingehend prüfen, ob die Ergebnisse aus diesen Tätigkeiten nach den o.g. Grundsätzen querverbundfähig sind und/oder im Falle von Anfangsverlusten eine vGA durch ein Gesamtkonzept mit „schwarzer Null“ verneint werden kann. Resultiert aus der Prüfung vertretbar eine abweichende steuerliche Behandlung, sollte diese bei der Erstellung von Steuererklärungen berücksichtigt werden und für offene Veranlagungen eine Änderung beim Finanzamt beantragt werden.

Scheitert der steuerliche Querverbund jetzt womöglich am EU-Beihilferecht?

Eigengesellschaften: Aktuelle Vorlage an den EuGH

Der BFH hat den EuGH um Klärung gebeten, ob die Steuerbegünstigung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG für dauerdefizitäre Tätigkeiten kommunaler Eigengesellschaften gegen die Vorschriften des EU-Beihilferechts verstößt (vgl. Pressemitteilung des BFH vom 24.10.2019 zur Veröffentlichung seines Vorlagebeschlusses vom 13.3.2019, Az.: I R 18/19).

Steuerlicher Querverbund in der BFH-Rechtsprechung

Der steuerliche Querverbund war noch nie das Lieblingskind des BFH. Dieser hatte bereits in der Vergangenheit entschieden, dass die Hinnahme von Dauerverlusten kommunaler Eigengesellschaften regelmäßig zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führt (BFH-Urteil vom 22.8.2007, Az.: I R 32/06). Der Bund hatte das weitreichende BFH-Urteil allerdings durch das Jahressteuergesetz 2009 rückwirkend „geheilt“.

In seinen bisherigen Entscheidungen hatte der BFH zudem die umstrittene Rechtsfrage offengelassen, ob die gesetzliche Regelung zum steuerlichen Querverbund mit den unionsrechtlichen Beihilfevorschriften zu vereinbaren ist. In seinem Vorlagebeschluss geht er nunmehr vom grundsätzlichen Vorliegen einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV aus, überantwortet aber dem EuGH die verbindliche Klärung der Auslegungsfrage, ob die Steuerbegünstigung nach § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG eine staatliche Beihilfe i.S. von Art. 107 Abs. 1 i.V. mit Art. 108 Abs. 3 AEUV ist. Denn den kommunalen Eigengesellschaften werde mit der Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG ein selektiver Vorteil dadurch verschafft, dass die Rechtsfolgen einer vGA nicht zu ziehen sind, während bei den übrigen Steuerpflichtigen, die ebenfalls im Interesse ihrer Gesellschafter verlustreiche Tätigkeiten durchführen, diese Rechtsfolgen eintreten.

Ausblick

Sollte der EuGH das Vorliegen einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV bejahen, wäre § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG bis zu einer Entscheidung der EU-Kommission über die Vereinbarkeit der Steuerbegünstigung mit dem Binnenmarkt nicht anwendbar. Der Streitfall wie auch die weitere Anwendung dieser Vorschrift müssten bis zu einer Entscheidung durch die Kommission ausgesetzt werden.

Empfehlung: U.E. sollte die weitere Entwicklung beobachtet und abgewartet werden. Denn der Ausgang der EuGH-Entscheidung zum Vorlagebeschluss ist grundsätzlich offen und die Gestaltungsmöglichkeiten, wie z.B. die Rückführung der dauerdefizitären Tätigkeiten auf die Kommune, sind kritisch abzuwägen. Unterhält eine Kommune eine Dauerverlusttätigkeit aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen (z.B. Bäder und Verkehr), wäre gleichermaßen eine vGA der sog. Betriebe gewerblicher Art an die Trägerkörperschaft anzunehmen. Die Rechtsfolgen der vGA sind aktuell nach § 8 Abs. 7 Nr. 1 KStG nicht zu ziehen. Es dürfte aber auch die weitere Anwendung des § 8 Abs. 7 Nr. 1 KStG – neben möglichen Beihilfefragen – offen sein, wenn die Regelung des § 8 Abs. 7 Nr. 2 KStG nicht mit den Beihilfevorschriften vereinbar sein sollte.

Fazit: Es ist sehr zu begrüßen, dass die Finanzverwaltung ihre Auffassung zu Breitband- bzw. Telekommunikationstätigkeiten der Kommunen und kommunalen Unternehmen gelockert hat. In diesem Zusammenhang ist allerdings auch darauf hinzuweisen, dass der BFH dem EuGH die Rechtsfrage der beihilferechtlichen Zulässigkeit des steuerlichen Querverbunds (bei Eigengesellschaften) vorgelegt hat. Die weitere Entwicklung bleibt also abzuwarten.

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