Zum Inhalt springen

Sie sind hier:

Verfassungswidrigkeit der Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen mit 6%

Zinsen werden bei Steuernachforderungen und -erstattungen fällig, sofern die Steuer 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist, noch nicht bezahlt wurde. Der Zinssatz beträgt derzeit monatlich 0,5% bzw. 6% pro Jahr. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sieht diesen Zinssatz nun angesichts des sich verfestigenden Niedrigzinsniveaus als verfassungswidrig an, wodurch sich weitreichende Folgen ab dem Verzinsungszeitraum 2019 ergeben.

Historie

Der einheitliche Zinssatz von 6% p.a. auf Nachforderungen und Erstattungen von Steuern wurde bereits 1961 festgelegt und seitdem nicht mehr verändert. Der Verzinsungszeitraum beginnt stets 15 Monate nach dem Zeitpunkt, in dem die Steuer entstanden ist. Dabei wurde den seit Jahrzehnten rückläufigen Zinsen auf den Kapitalmärkten nicht Rechnung getragen. Seit einiger Zeit liegt der Einlagesatz sogar im negativen Bereich – aktuell bei minus 0,5%. Die Verzinsung von 6% pro Jahr von Steuernachforderungen und -erstattungen ist somit schon lange von der Realität am Kapitalmarkt losgelöst und wurde deshalb dem BVerfG zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegt.

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts

Das BVerfG kam mit Beschluss vom 8.7.2021 (Az.: 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17) zu dem Ergebnis, dass der typisierte Zinssatz von jährlich 6% spätestens seit dem Jahr 2014 realitätsfern ist und somit überschießende Wirkung entfaltet. In dem am 18.8.2021 veröffentlichten Beschluss erklärt das BVerfG die Verzinsung für alle Verzinsungszeiträume ab 2014 als mit dem Grundgesetz unvereinbar. Trotz der Verfassungswidrigkeit lässt das BVerfG die Verzinsung von 6% für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume von 2014 bis 2018 weiter zu. Für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 sind die entsprechenden Vorschriften zur Verzinsung aber nicht mehr anwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung bis zum 31.7.2022 zu treffen.

Hinweis: Alle noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide mit Verzinsungszeiträumen ab 2019 müssen korrigiert werden. Wer dabei zu hohe Zinsen gezahlt hat, profitiert von einer Rückerstattung. Auf der anderen Seite müssen Steuererstattungen möglicherweise teilweise zurückgezahlt werden, soweit sie Zinsbestandteile enthalten. Die Höhe der Beträge wird dabei davon abhängen, wie hoch der Zinssatz für die Zeit ab dem 1.1.2019 festgesetzt werden wird.

Zurück zur Übersicht
Zurück zum Seitenanfang